2007-06-05

Heiligendamm - Der Auftakt: Das Camp

Mir fällt grade auf, im Titel mit Heiligendamm daherzukommen, ist dezent sinnlos eigentlich. Schließlich fand der gesamte Sonnabend in Rostock statt. Auch die nächsten Tage finden Aktionen der G8-Kritiker nicht in Heiligendamm statt. Heiligendamm ist das permanent Abwesende. Deutlich wird dies an der für Donnerstag geplanten Demo. Der Sternmarsch soll nach den Wünschen der Polizei lediglich auf bis zu 6 Kilometer an den Tagungsort heranreichen, auf Bundesstraßen mitten im Nirgendwo. Es wird wieder eine Demo für die Teilnehmenden, die Polizei und die Journalisten.

Aber es geht um die Camps. Zeltplätze, 3 an der Zahl. Am Sonnabend haben wir in Rostock übernachtet. Herr Grau hat die Stimmung dort bereits auf den Punkt gebracht.

In der Nacht gab es noch 2 Ereignisse, die mich extrem beeindruckt haben. Auf unserer Seite des Zauns, hat am Abend ein Rave stattgefunden. Unsere anfängliche Besorgnis, dieser könne uns somehow den Schlaf rauben, hat sich gegen 1 in Luft aufgelöst. Auf einmal war die Musik aus. Es gab natürlich ein paar Proteste bei den anwesenden Tanzenden. Woraufhin ein Stimme - diesmal auch für uns verständlich - verkündete, den Rave jetzt zu beenden, sei eine Konsens-Entscheidung gewesen und deswegen jetzt auch endgültig. Dabei ging es sicher in erster Linie um die Anwohner in der Gegend. Die Camp-Organisatoren haben ein dezidiertes Interesse daran, die Anwohner nicht gegen sich aufzubringen - und die Mehrheit bedenkt dieses auch in Momenten der persönlichen Bespaßung.

Am Abend gab es auf Grund der Ausschreitungen bei der Demo auch Bedenken, ob die Polizei das Camp filzen würde. Dazu hat dann kurz nach 10 ein Plenum stattgefunden, bei dem ca. 200 Leute teilgenommen haben. Es wurde besprochen, wie in solch einem Fall zu reagieren sei. Beschlossen wurde, dass zunächst alle Leute mit Kindern und all diejenigen, die nicht stark genug für eine Auseinandersetzung mit der Polizei sind, in das große Plenumszelt gebracht werden. Dieses sollte dann mit einer Menschenkette und entsprechender Deeskalationskommunikation gegen ein Eindringen der Polizei geschützt werden. Alle anderen sollten quasi dezentral rund um ihre Zelte versuchen, in möglichst ruhiger Form mit der Polizei zu sprechen.

Ja, ich freue mich schon, ab Mittwoch Abend wieder dort zu sein.

3 Kommentare:

abstrahiert hat gesagt…

lustig, wir waren beim selben plenum.

was mich verstört hat, aber das bin ich ja irgendwie schon von plena gewöhnt: da wird echt stundenlang (nämlich vorher auch noch in den einzelnen barrio-plena, wenn du das miterlebt hast) über ein szenario diskutiert, das wirklich völlig unwahrscheinlich ist. die polizei hat das camp umstellt, als wir raus sind zu so einer art spontan-demo, also als reaktion. das war dann zwar eine ziemliche macker-art, repression darzustellen (wasserwerfer, gleich von beiden seiten gute hundert stark bewaffnete), aber es war zu keiner zeit echt kritisch für die camp-infrakstruktur. ich hätte mir generell (auch bei den plena an den folgenden tagen, soweit ich die noch mitbekommen habe) mehr beschäftigung mit inhalten gewünscht, etwa wie was transportiert werden soll und was dabei schiefgelaufen ist. auch die hunderste militanz-diskussion anzuzetteln (den vogel abgeschossen hat wieder mal attac mit der totalen entsolidarisierung) ist wenig sinnvoll.

 miss sophie hat gesagt…

grins. ich hatte ja auch am samstag im bahnhof von rostock kurz das gefühl, du würdest grad die bahnunterführung entlang laufen, als wir die treppe vom bahnsteig runter sind. aber dann war das menschenkind auch schon in der menge verschwunden...

was die plena angeht. das ungute gefühl, das du beschreibst, hat mich insbesondere in börgerende auch wieder überkommen.
da stehen leute und stellen sich eine konsens- und basisdemokratie als politischer grundform ihrer gesellschaftsgestaltung vor. und verfallen doch immer wieder in die alten muster der rhetorik, indem sie versuchen, immer wieder die anderen von ihren argumenten zu überzeugen.
mir geht´s ja auch nicht anders, wenn ich mitten in einer dikussion stecke und meine argumente und schlussfolgerungen für die richtigen halte. aber demokratie muss irgendwie auch heißen, es mal gut sein zu lassen. darauf zu vertrauen, dass die anderen ebenfalls mit hirn über alle optionen nachgedacht haben, nur ggf. zu einem anderen schluss gekommen sind.

in börgerende gab es am donnerstag die frage, wann die blockade aufgelöst werden könne. noch am donnerstag abend mit der option, dass dann alle gemeinsam in einem demo-zug nach bad doberan laufen. oder erst am nächsten tag (das treffen mit den anderen blockaden war zu dem zeitpunkt bestenfalls die idee eines einzelnen). da sich keine mehrheit herausstellte, wurden im endeffekt 2 getrennte plena anberaumt: 1 für donnerstag abend aufbrechen, 1 für freitag aufbrechen.
wie´s ausging, weiß ich nicht. wir sind dann vorher schon weg.

das war aber der punkt, an dem ich mir dachte: wenn das bei ca. 500 leuten schon so ausgeht, wie soll das dann mit 80 mio. menschen funktionieren?
wohl nur, indem mensch die alten staatsgrenzen aufbricht. aber das ist nun wieder ein ganz anderes thema und ein weites feld :-).

abstrahiert hat gesagt…

ohja! aber stimmt schon, mir geht es da ja bestimmt auch nicht anders, merke ich auch hin und wieder, während ich rede kommt mir dann plötzlich so ein gedanke, dass die letzte rhetorische figur von mir zB echt nicht hätte sein müssen, nur ist es dann halt schon zu spät. ich glaube, dagegen hilft nur viel erfahrung und viel analyse.

bei diesem plenum-handzeichen-dings, da gab es ja sogar eine geste für "komm zum punkt", oder? das fand ich witzig.