2008-08-31

Da weeßte gar nich, wo de anfangen sollst.

In der Regionalbahn, während der Fahrt, ertönt eine Stimme aus dem Lautsprecher: "Einmal der Zugführer zum Zug, bitte." (kurze Pause) "Äh, einmal der Zugbegleiter zum Zugführer, bitte."

Ungefähr so und kein wenig anders. Aber kommen wir zu den wichtigen Themen des morgigen Montags: Die Registrierung fürs 3. Barcamp in Berlin startet morgen. Stattfinden tut dit Janze am 18. und 19. Oktober.

So gehet hin und registrieret euch. Auf dass wir ein wundervolles Wochenende haben werden!

Gute Nacht.

2008-08-29

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Den Weg des Handelns geht jeder für sich allein. Aber es ist leichter macht einen Unterschied, diesen Pfad zu beschreiten, wenn wir uns vorher anderen mitgeteilt haben.

2008-08-24

Schluss mit den Spielchen.

Du hast immer so große Stücke auf dich gehalten. Spielchen spielen war nie deins. Nach außen handeln und im Hinterkopf basteln die Optionen sich ihre eigenen Lebensentwürfe. Rechnen sich Gewinnchancen aus auf der Basis kleinmädchenhafter "alle Jungs sind doof"-Stereotypen. Du hast immer mit einem innerlichen Kopfschütteln und etwas Mitleid reagiert, wenn Frauen vor dir standen und sich darüber aufregten, dass der Kerl jetzt schon angerufen habe. Die drei Tage seien doch noch gar nicht vorbei... Eine Etikette, die Distanz wahrt und bloß nichts von Gefühlen wissen will. Obwohl es genau darum doch immer wieder geht. Es ist das große Verlangen nach Zweisamkeit, bitterlich durchstoßen von den Nadeln des Misstrauens. Und viel mehr noch der Angst vor dem Schmerz. Die Gefahr des sich Entblößens und Zurückgestoßenwerdens. Die Sorge, ob jemand ganz anderes zuviel mitbekommt, gar den eigenen Schmerz erkennt. Bliebe alles nur immer in der Privatheit der zweisamen Erfahrungen, es wäre vielleicht einfacher. Aber das kann niemand wissen. Es ist wohl auch mehr eine Hoffnung, die sehnlichst nach einem Strohhalm angelt. Und so ziehen sie sich zurück, die Frauen, die du kennengelernt hast. Sie ziehen sich zurück und bleiben unglücklich.

2008-08-21

und einige häuser sind mir lieber als andere

Eine Unterhaltung auf Twitter trägt sich derzeit zu, die es mir mittlerweile unmöglich macht, sie in 140 Zeichen weiterzuführen. Auf meine Aussage "beginne, die kommunikation per mobiltelefon als veraltet und umständlich zu verabscheuen." erhielt ich folgende Antwort von @mathematikos: "die sprache ist das haus des seins (heidegger)#schrägsinn".

Mir gefiel und gefällt der Satz Heideggers. Bringt er doch ganz wunderbar mein derzeitiges Erleben von Sprache und den Kanälen, in denen ich sie kommuniziere, zum Ausdruck. Doch halt! "Sprache und Kanäle, in denen"? 2 getrennte Dinge? Nee, irgendwie nich. Der Kanal Twitter zum Beispiel, mit seiner Begrenzung auf 140 Zeichen, bringt neue Erscheinungsformen von Sprache mit sich. Der durch das Rautezeichen gesetzte (Eigen-)Kommentar ist eine Einordnung der soeben getätigten Äußerung auf einer Metaebene - ein Kommentar eben. Typographisch ist er immer noch der Äußerung nebengestellt. Aber der Kommentar kommt in neuem Gewand daher. Das Anzeigefeld bei Twitter benötigt eine Abgrenzung mit einem Sonderzeichen. Der klassische Text im Seitenrand oder gar auf den hinteren Seiten eines Buches ist nicht mehr möglich. Hinzu kommt eine zweite Verwendungsweise der Raute, nämlich die der Marginalie. Das ist in einem Buch eine Art Zusammenfassung oder ein Oberbegriff o.ä., das im Seitenrand neben dem Absatz steht und damit den Gesamttext leichter erfassbar machen soll. Sehr beliebt ist dies in u.a. Schulbüchern. Auf ihre Weise ist auch die Marginalie ein Kommentar, wenn auch eher ein zusammenfassender. In Twitter hat sich mit dem Rautenzeichen eine neue Form der Kommentierung entwickelt. Zynisch-ironische Kommentare bspw. werden hierüber verschriftlicht, wie sie bislang in dieser Kürze nur über die Mimik und den Tonfall des Sprechenden erkenn- und verstehbar war. Eine andere, zusammengewürfelte Sprache ist entstanden.

Zurück zu "die sprache ist das haus des seins". Das Haus ist Twitter, die Sprache sind die Zeichen, die wir dort verwenden und das Sein... äh ja... ist halt das Sein. Worauf ich hinauswill, ist nicht der Kommentar "#schrägsinn". Den habe ich in der Verwendung bei mathematikos bislang noch nicht so ganz durchschaut. Was aber auch egal ist, denn es geht mir um "die sprache" und "das haus". Twitter, Skype, Email, Mobiltelefon. Das sind viele Häuser, in denen sich viele Sprachen tummeln (für die Literaturtheoretiker und Linguisten: Sprache im Sinne von parole). Jeder dieser Kommunikationskanäle hat seine Besonderheiten, seine pragmatischen Vor- und Nachteile in der eigenen Lebens- und Arbeitsgestaltung. Pragmatische Bedeutungsteile gehören ebenso zum Sprachsystem (im Sinne von langue) wie die eigentliche Wortbedeutung. Daraus ergibt sich, dass es im Gebrauch nicht die eine Sprache und viele Häuser gibt, sondern viele Sprachen (im Sinne von parole) und viele Häuser und dabei greifen Sprache (parole) und Haus immer ineinander. Und darum gilt: "einige häuser sind mir lieber als andere".

2008-08-19

"Linksliberalismus 2.0"

Es ist Zeit für eine neue Ideologie.

Mitte der 1990er Jahre las ich in der Berliner Zeitung eines Sonntags in einer Kolumne. Ich meine mich zu erinnern, sie hatte an dem Tag den einfachen Titel "linksliberal". Der Autor, dessen Namen mir nicht mehr einfallen will, schrieb davon, wie er sich politisch links einordnen würde, aber mit dem Dogmatismus der Linken nichts anfangen könne. Er selbst hatte (und hat vermutlich auch heute noch) kein Problem mit Konsum und dem Tausch seiner Arbeitskraft gegen monetäres Einkommen. Aber er hatte ein Problem mit habgierigen Unternehmensinhabern und mit Unternehmensstrukturen, die Hierarchisierung und Ausbeutung als Teil ihres Systems förderten. Deswegen konnte er sich auch mit den Positionen einer FDP ums Verrecken nicht anfreunden. Er glaubte auch nicht daran, dass ein Staat die Instanz sein könne, die für gerechte Verteilung der Güter sorgen würde. Da müsste schon jeder selbst dran arbeiten. Keine der Parteien sagte ihm zu. Es war ein Dazwischen, das er formulierte. Etwas, das man in linken Kreisen besser nicht zu laut ausspricht. Das Dogma des Antikapitalismus, ihr wisst... Es war genau die Einstellung, die ich so gerne von der Politik gesehen hätte. Lange hörte ich nichts mehr davon, bis im vergangenen August Mercedes Bunz unter dem Titel "Linker Neoliberalismus - Was könnte das sein? Und warum eigentlich? Spinnen die?" (pdf) dazu schrieb.

Dieser Tage ist Christian Rickens' "Links! Comeback eines Lebensgefühls" im Gespräch. Auf dem 9to5.Wir nennen es Arbeit-Festival-Camp sprach er mit Mercedes Bunz, Holm Friebe und Philipp Albers über das Thema. Nun sind seine Ansichten in Buchform erschienen. Auszüge davon gibt es auf spiegel online.

Worum es geht? Es geht darum, die "die richtige Mischung aus Wettbewerb und Solidarität, aus Gewinnstreben und Gemeinsinn zunächst einmal im eigenen Leben umzusetzen". Derart beschreibt Christian Rickens die digitale Bohème, wie er sie kennengelernt hat. Und wie es meines Erachtens den Kern der Sache trifft.

Es ist Zeit für eine neue Ideologie. Eine Attitüde des Pragmatismus, der seine Lebens- und Arbeitsbedingungen - so gut es geht und darüber hinaus - selbst schafft. Sie kommt leise daher. Aber sie wird uns alle erreichen.

Warum ich davon überzeugt bin? Hier ein paar zusammenhanglose Aspekte, die so zusammenhanglos gar nicht sind.
Coworking spaces (Orte für Menschen, die für ihre Arbeit an keinen Ort gebunden sind, aber das soziale Miteinander und die Infrastruktur eines Büros trotz allem brauchen) erfreuen sich größer Beliebtheit unter den Selbständigen und Freiberuflern dieser Welt. Es ist selbstbestimmtes Arbeiten in der Gemeinschaft.
Das muss nicht nur für die kleine Gemeinde der digitalen Bohemiens gelten. Markus Albers bespricht in seinem Buch "Morgen komm ich später rein", wie traditionelle, dröge Büro-Arbeitsformen auch für Unternehmen und deren Angestellte ein Ende haben können. Es braucht im Grunde nur den Mut beider Seiten, neue Wege zu denken.
Passend dazu eine Geschichte aus Philadelphia und Vancouver. Chris Jurney ist mit und wegen seiner Frau von Vancouver nach Philadelphia gezogen. Die Firma, bei der er arbeitet, wollte ihn behalten und richtete alles für eine Fern-Beziehung ein. Zuhause aber ist Chris Jurney die Decke auf den Kopf gefallen. Also machte er sich auf in die Independents Hall und arbeitet fortan dort. Seine Firma bezahlt ihm nun seinen Schreibtisch dort, weil sie auf das Know-How von Jurney keinesfalls verzichten möchten. Alle haben etwas davon, auch die anderen Coworker in der Independents Hall, mit denen Jurney sich dort austauschen kann.

2008-08-05

Ein Brett und eine Welt.

Ich hab es getan. Ich hab mir das La Riviera gekauft. (Für ein Bild bitte 3 Posts runterscrollen. Frisches Material mit mir drauf gibt es hoffentlich bald.)

Um mich herum dreißigt es sehr. Ein stetiges "Jetzt bin ich alt. *seufz*" liegt in der Luft, wenn die Menschen das Erwachsenenalter des modernen Stadtkindes erreichen. Ich hoffe für all die Menschen, dass sie trotzdem Ziele und Hoffnungen in der Zukunft haben und diese nicht nur in der Vergangenheit begraben, aber das nur nebenbei.

Während meiner Jugend hing ein Satz an meinem Kleiderschrank:

I never want to say my best days are behind me
New End Original - Lukewarm

Gemeinsam mit meinem Lachen sollte es das Motto meines Lebens werden. Es hat gute 10 Jahre gebraucht, bis ich aus vollem Herzen sagen kann: Ja, ich lebe im Hier und Jetzt und es liegen noch gute Dinge vor mir. Ich lebe nicht mehr aus reiner Angst in der Zukunft und meine Vergangenheit hört auf, (gefühlte) pure Langeweile zu sein.

Was hat das jetzt mit dem Dreißigwerden und dem Board zu tun? Neulich hörte ich die Geschichte einer Frau, die zu ihrem vierzigsten Geburtstag mit dem Boarden aufhörte. Sie sei jetzt zu alt dazu. Das war ihre einzigste Begründung. Ich finde diese Begründung lächerlich. Es ist die Angst vor der eigenen Courage, anders zu leben als die meisten Menschen in unserer Gesellschaft. (Dieselbe Angst, die Menschen so ein Drecksgewäsch hier schreiben lässt.) Ich bin 27 und fange gerade erst an. Die drei Monate des diesjährigen Frühlings haben mich selbst kaum wiedererkennen lassen. Das erste Mal in meinem gesamten Leben habe ich das Gefühl zu wissen, wer ich bin und was ich will und welche Überzeugungen ich habe und an welchen Stellen ich aufpassen muss, mir nicht untreu zu werden. Ich weiß, welchen gesellschaftlichen Bedingungen ich es zu verdanken habe, dass ich das Leben führen kann, das ich führe. Manchmal kommen andere daher und vermitteln den Eindruck, ich müsste mich rechtfertigen oder mich gar schämen. Ich versuche mein Bestes, diesem Ein-Druck mit jugendlicher Unbeschwertheit zu begegnen: The times they are a changing. Ich gehöre nicht zu den Menschen, für die die Zwanziger nur Durchgangsstationen auf dem Weg in die häusliche Zweisamkeit sind. Alles schnell noch erleben müssen, um sich dann beruhigt ins Familienleben zu verabschieden. Ich gehöre zu den Menschen, die langsam wachsen und in ihren Zwanzigern feststellen, was sie auch in den kommenden 30-40 Jahren noch fürs Glücklichsein brauchen werden. Um alles daran zu setzen, diese Visionen Realität werden zu lassen.

Das mit den Dreißiger-Geburtstagen kann ich jetzt aber doch nicht begründen. Sind einfach nur viele passiert dieses Jahr. Da geistert einem das schonmal im Kopf rum, wenn man auf seinem Board steht und Runde um Runde dreht.

2008-08-01

Das Wegputzen schwer machen.

Gerade erst vor ein paar Tagen wohnte ich einem Gespräches über Potsdam bei. Es ging um Uferwege, die immer mehr der breiten Öffentlichkeit entzogen werden. Es ging um everybody's darling Günther Jauch und das Geld, das er in die Stadt hineinsteckt. Es ging um Stadtobere, die dieses Geld gerne in der Form nehmen als dass sie die Leute gewähren lassen. Es ging um die Veränderungen, die in Potsdam stattfinden, wenn die Stadtoberen weiter so nichthandeln.

Kaum war das Gespräch vorbei, ging die Kunde um den Förderstopp des Potsdamer Waschhauses durch die Region. Ein überdimensioniertes WTF!!! raunte hinter meiner Stirn. Wie schon Anne, der Logopäde und der Saint sagen: Dieses Haus ist ein Fundament für die Potsdamer Kultur. Um nur ein Beispiel zu nennen: Im Laufe der Jahre gab es immer wieder Bands, die während einer Deutschlandtour in Potsdam, nicht aber in Berlin gespielt haben (wenn auch vielleicht in einigen Fällen aus Gründen der Organisation). Und wo waren sie: im Waschhaus.

Gegen die Schließung haben die dort Arbeitenden eine Online-Petition gestartet. Unterschreibbefehl!