2007-06-28

mentale Repräsentation

Ich stelle mir mein Gehirn immer mal wieder so vor: Es ist ein Netzwerk, eine Verbindung aus verschiedenen Knotenpunkten. Die Knotenpunkte sind einzelne Wissenselemente. Bei einem einzelnen Wort wie z.B. Lautsprecher sind diese Knotenpunkte Plaste, Stoff, An-Schalter, Rädchen, Kabel usw. Dazu gibt es ein Bildchen im Kopf. Das alles ergibt dann in seiner Gesamtheit meine mentale Vorstellung von /Lautsprecher/. Das alles ist dann mehr als die Summer seiner Teile.

Der nächste Schritt ist die Relation einzelner Wörter mit anderen Wörtern. Das ist ein Wortknoten, aus dem einzelne Stränge herausgehen und mit einzelnen Punkten anderer Wortknoten in Verbindung treten. Das kann dann so etwas wie die Verbindung von Lautsprechern mit dem PC sein. Am PC hängt wiederum anderes dran, wie Tastatur, Bildschirm und Maus. Das alles zusammen ergibt dann den eigentlichen Rechner.

Wenn ich, aus welchem Grund auch immer, auf einen Reiz hin so etwas wahrnehme, werden die entsprechenden Punkte aufgerufen. Ich würde sagen, bewusst ist lediglich der Oberbegriff da bzw. das entsprechende Bild, das die Gesamtheit zeigt. Ich sehe also den Rechner im Ganzen, nicht nur mehrere Bildchen der einzelnen Bestandteile. Im Hintergrund aber sind alle relevanten Teilchen geladen. Alle diese Wissenselemente in den Knotenpunkten sind im Arbeitsspeicher meines Hirns versammelt.

SO geht das dann im weiter. Die geladenen Knotenpunkte werden komplexer und so sammelt sich immer mehr davon im Arbeitsspeicher an. Dann kommen andere komplexe Knotenpunkte hinzu. Die suchen sich eine andere Ecke im Arbeitsspeicher aus. Dann kommen Knotenpunkt drei, vier und fünf hinzu. Die Knotenpunkte sind dann jetzt z.B. Job eins mit der derzeit, nicht sehr erfolgreich, laufenden Rechercheaufgabe, Job zwei mit mehr Routineinhalten, aber vielen verschiedenen Anfragen, Butlers "Unbehagen der Geschlechter", Grice' Theorie der Bedeutung (die nichts mit Zeichentheorie zu tun hat und darum umso schwerer für mich zu fassen ist), Erzähltheorie und die alte Frage nach dem Erzähler, welche Rolle spielt die Wahrnehmung in unserer Kultur (wie kommen einzelne Elemente in einem System zweiter Ordnung aufgenommen, welcher Bruch der Zeichenkonfigurationen findet dabei statt), das Treffen mit der Frau Mama am Sonnabend und das Filmteam am Sonntag, eine Freundin, die derzeit ihre Freunde um sich braucht, weil sie auf einen Menschen getroffen ist, der ihr sehr weh getan hat, und und und. Und zwischendrin flitzen immer wieder vereinzelte Punkte durch die Menge an komplexen Knotenpunkten, die mein Überleben ganz basal (essen, schlafen, warm anziehen) und in dieser Gesellschaft (duschen und so) sichern.

Das Problem: die geladenen Programme können sich nicht selbst beenden. Wenn ich nicht mit genügend Hingabe an den einzelnen Programmen arbeite, lassen sie sich nicht beenden. Sie haben einen Schutzmechanismus gegen frühzeitiges wieder Ablegen im Archiv. Sie sind wie kleine Kinder, die erst ins Bett gehen, wenn sie ihre Gute-Nacht-Geschichte bekommen haben. Also bleiben sie alle im Arbeitsspeicher meines Hirns, weil der Tag hat ja nur 24 Stunden. Sie bleiben dann solange geladen, bis nix mehr reingeht. Dann bleibt der Kühlschrank leer, die Mails unbeantwortet und dieses schale Gefühl, mit dem ich durchs Leben gehe, wird immer schaler. Dann muss ein neuer Knotenpunkt her. Er hat den Oberbegriff /Pass auf dich auf, übernimm dich nicht/.

Manchmal wäre es mir sehr lieb, es gäbe ein mechanisches Warnsignal, das immer dann angeht, wenn mein kognitiver Arbeitsspeicher zu ca. 70% gefüllt ist. Es wäre mir lieber als permanent den Knotenpunkt /Pass auf dich auf/ laden zu müssen.

3 Kommentare:

abstrahiert hat gesagt…

butlers "unbehagen der geschlechter" hab ich vor drei monaten irgendsowas zwischen quer- und normalgelesen. war aber leider so wie bei vielen büchern bei mir, dass ich mir den größten spass schon durch vorher genommen habe durch w'pedia, anderes internet (ach ja, da gab's ja noch was) oder büchern von autorInnen, die auf butlers theorien rekurieren. da bleibt dann beim lesen oft so ein schales na-eh-klar zurück, mag ich gar nicht. ist das uni-lese-zeug für dich oder privat? (immer diese binaritäten, aber ich lass das jetzt mal so der einfachheit halber, aber jtfr: scheiss arbeit/urlaub-dichotomie.)

abstrahiert hat gesagt…

und scheiss fehler: ein "durch" zu viel", ein "mir" und "jtfr" soll natürlich "jftr" heißen.

Anonym hat gesagt…

butler hab ich für´s kulturtheorie-seminar gelesen. wie ich eigentlich alle theorie-texte immer nur im zusammenhang mit seminaren lese. wobei mein studium die letzten mehr einer freizeitbeschäftigung glich als einem studium... insofern erübrigt sich die frage nach uni/privat :-)

die großen der theorie haben ihren ganz eigenen reiz. das denken bzw. die strukturiertheit des denkens findet eingang in die schreibweise. theorie, die sprache als dynamisches system betrachtet, realisiert nur in der differenz, fassbar nur in der abweichung, verkörpert diese schreibweise, macht die theorie zur tätigkeit. theorie realisiert sich im schreiben. und genau darin besteht der reiz. es geht mehr um das wie, denn um das was.

die texte von tynjanov-jakobson-barthes-eco-foucault-derrida-kristeva-luhmann-... und all die anderen, die unter die oberfläche schauen und das selbstverständliche hinterfragen, bieten einen trost, indem sie einer tätigkeit nachgehen, die meinem eigenen denken einen ort gibt. das problem dabei: the same things that make you live will kill you.