2008-07-30

Ein Literaturwissenschaftler tut, was ein Literaturwissenschaftler tun muss.

Den Kritiker in sich rauslassen nämlich. Bestes Erprobungsobjekt: man selbst.

Alles weitere bei Twitkrit und dem "Selbstgespräch eines Knotenpunkts im Zeichengewebe".

An dieser Stelle geht ein herzliches Dankeschön an bjoerngrau für sein Lektorat sowie an das gesamte Twitkrit-Team für die Veröffentlichungsmöglichkeit.

2008-07-25

Große Anschaffungen werfen ihre Rollen voraus.

la riviera
Ich erwähnte es bereits: Ich bin angefixt.

Wenn alles gut geht und alle Rädchen sich so ineinander fügen, wie ich mir das hier grade zusammenbastele, dann... ja dann gibt's Ende nächster Woche neue Füße. Diesmal die eigenen. Mein aktueller Favorit ist das La Riviera aus dem Hause Riviera Longboards. Mit 103 cm Länge ist das Board nicht ganz so groß wie ich (hihi) und mit 23,5 cm Breite hat es eine angenehme Fläche zum drauf Hin- und herlaufen. Und es sieht einfach mal scheiße geil aus!

2008-07-23

Testspiele sind zum Testen da.

Was für ein Drama. Da spielt der Liverpool FC schonmal in Berlin (bei den Glanzleistungen, die die Hertha im Schnitt erbringt, wird das wohl so schnell nicht wieder passieren.) und dann fehlt die halbe Mannschaft. Die Spanier Alonso, Torres und Reina erholen sich noch von ihrem Sieg bei der Europameisterschaft. Gerrard hat sich am Montag mit einer Verletzung in der Leistengegend aus dem Trainingscamp verabschiedet. Der Rest der Angetretenen ist entweder noch jung oder erst seit dieser Saison beim LFC. Einzig Jamie Carragher und Dirk Kuyt waren am Start. Nicht viele Optionen, die Headcoach Rafael Benitez da hatte.

Und das hat mensch dem Spiel auch vollständig angemerkt. Zusammengewürfelt und ohne Plan. Die erste Halbzeit wirkte wie ein Casting. Jeder, der den Ball einmal hatte, dribbelte ein bisschen vor sich hin und beendete dann mit einem Fehlpass oder direktem Ballverlust im Zweikampf. Dass die Hertha in den ersten 45 Minuten kein Tor schoss, ist einzig der guten Abwehr zu verdanken. Die steht schonmal wie 'ne Eins. Über die Spitze lässt sich nur wenig sagen. Wenn der Ball mal in Tornähe war, waren die Jungs, allen voran Andriy Voronin, viel zu ängstlich. Platz zum Schießen? Ach nee, vielleicht lassen sich ja noch ein paar Pässe üben. Anders kann ich mir den mangelnden Drang zum Tor jetzt auch nicht erklären. Die zweite Hälfte wurde da auch etwas lebendiger. Das dürfte zu einem Gutteil daran gelegen haben, dass Benitez fast die komplette Mannschaft auswechselte (9x wurde getauscht).

Das große Problem aber war das Mittelfeld. Das gesamte Spiel über. Sehr bezeichnend hierfür waren mehrere Situationen mit Kuyt, der den Drang zum Tor hatte, aber sich permanent die Bälle selber abholen musste und dann auch prompt an einen der mindestens zwei Herthaner um sich herum verlor. Ich hoffe, dass mit Alonso, Gerrard und Mascherano ein wenig Stabilität ins Mittelfeld kommt. Vor allem braucht es jemanden, der Gerrard ersetzen kann, wenn der verletzt ist oder nen schlechten Tag hat. Daran mangelte es in der vergangenen Saison häufiger.

Ich bin gespannt. Derweil geht mein erstes live gesehenes Liverpool-Spiel als Austest-Spiel in die persönliche Erinnerung ein. Und ich bin hoch erfreut, dass um uns herum gefühlte 5.000 Liverpool-Fans saßen.

Ach ja. Das Spiel ist übrigens 0:0 ausgegangen.

2008-07-19

10 Tage und ihr Auf und Ab.

Als Graph hätte ein Mathematiker seine helle Freude, an der passenden Formel dazu zu basteln. Und als Carrerabahn wäre es die coolste Carrerabahn, mit der je ein Kind gespielt hat.

Ab in die Waschmaschine. Bei 60° reinigen und mit Kaltwasser spülen. Extra-Schleudergang. Die Tür geht auf, ich steige aus und stehe aufrecht. Irgendwie.

Unwillkürlich musste ich an die nie sehr vertrauenerweckende Achterbahn im Plänterwald denken.

Am Ende dieser Tage: Ein Kompliment, das fast schon eine Liebeserklärung war und von dem ich nur selten zu hoffen wagte, es in der Form jemals wirklich zu erhalten.

2008-07-10

Jeder nur einen Fragebogen, bitte.

Gestern mit nem Kumpel den Test für Einbürgerungswillige überflogen. Viel gelacht. Viel geärgert. Und manchmal war es ein bisschen wie damals in der Schule. Wir hätten gerne hinter die jeweils möglichen Antworten die verschiedenen Interpretationen geschrieben, die auf Grund der Formulierung der Frage möglich waren. Beim hinteren Teil angelangt, begann ich mitzuschreiben, ob der - vermutlich?! - unfreiwilligen Satire, die da so manches Mal zu Tage tritt.

Frage 184: Was nannten die Menschen in Deutschland sehr lange "Die Stunde Null"?
Eine der Antwortoptionen ist:
- Damit ist die Stunde gemeint, in der die Uhr von der Sommerzeit auf die Winterzeit umgestellt wird.
Herrlich!

Frage 204: Wie wurden die Bundesrepublik Deutschland und die DDR zu einem Staat?
- Die Bundesrepublik Deutschland hat die DDR besetzt.
- Die heutigen fünf östlichen Bundesländer sind der Bundesrepublik Deutschland beigetreten.
- Die westlichen Bundesländer sind der DDR beigetreten.
- Die DDR hat die Bundesrepublik Deutschland besetzt.
Ende der 1980er hieß es doch immer so schön: "Wir sind das Volk!" Bei den Völkerwanderungen, die damals stattgefunden haben, ist Punkt 4 gar nicht so abwegig...

Frage 215: Wer wird als "Kanzler der Einheit" bezeichnet?
- Schröder
- Kohl
- Adenauer
- Schmidt
Irgendwie fände ich es nett, wenn hier noch Egon Krenz zur Auswahl stünde.

Und meine liebste Frage ist die Nr. 148:
Was ist die Aufgabe der Polizei in Deutschland?
- das Land zu verteidigen
- die Bürgerinnen und Bürger abzuhören
- die Gesetze zu beschließen
- die Einhaltung von Gesetzen zu überwachen
Ich würfel dann mal zwischen 2 und 4, wa?

Zu der teils krassen Ausrichtung auf Einbürgerungswillige aus Ländern mit islam-religiösem Hintergrund, wenn es um soziale und kulturelle Fragen geht, sag ich jetzt mal nichts. Ist mir zu komplex grade. Kann sich ja auch jeder sein eigenes Bild von machen.

2008-07-04

"Der Blog" und der Weg der Menschen dorthin.

Es lodert ein kleines Feuerchen in Blogdorf. Nicht stark, es ist mehr so ein Schwelbrand, der gelegentlich ein paar Flammen züngeln lässt. Das Feuerchen lodert bei den Verfechtern der grammatikalischen Neutralität des Mediums, in dem wir uns alle hier tummeln. "Blog" hat seine etymologischen Wurzeln im Weblog, welches wiederum in Anlehnung an das Logbuch der Schiffer entstand. "Logbuch" oder "Log" ist eindeutig sächlich, das "Weblog" ebenso. Nur beim Blog hält sich die Verwendung des maskulinen Artikels standhaft neben dem neutralen. Die Verfechter des Neutrums sagen dann bei Gelegenheit auch gerne, "das Blog" sei falsch.

Dem deskriptiven Linguisten in mir rollen sich ob solcher Sickschen, sprachnörglerischen Urteile kurz die Zehennägel auf. Google's Index wirft für "das Blog" rund 788.000 Ergebnisse aus. Für "der Blog" sind es mit 827.000 Ergebnissen nicht wirklich viele mehr. Wie kann etwas "falsch" sein, was von so vielen Sprechern gebraucht und von noch mehr verstanden wird?

Doch wie kommt es eigentlich, dass "der Blog" überhaupt in den Gebrauch Eingang gefunden hat? Ist es die pure Sprachgeschichtsvergessenheit? Wohl kaum. Die Etymologie ist mittlerweile weitgehend bekannt und dennoch: der Blog lebt.

Die Ursachen liegen - wie so oft - in der Sprache sowie im Sprachgebrauch selbst. Wesentlich häufiger als der direkte Artikel im Nominativ wird "Blog" im Sprachgebrauch mit dekliniertem Artikel ("Das findest du bei XY im Blog.") oder in Sätzen mit Possessivpronomen ("Wie XY in seinem Blog schreibt, ...") verwendet.

Das Deutsche zeigt bei den Flektionsformen des Neutrums nur wenig Individualität im Vergleich zum Maskulinum. In weiten Teilen zeigt es dieselben Formen. Insbesondere der Dativ hat durchgängig die gleichen Formen im Neutrum wie im Maskulinum. "Mein Baum" wird zu "meinem Baum" ("in meinem Baum"), "mein Haus" zu "meinem Haus" ("in meinem Haus"). "Der Baum" wird zu "dem Baum (in dem Baum/ im Baum)", "das Haus" wird zu "dem Haus (in dem Haus/ im Haus)". Beim Verweis auf Inhalte wird durch die häufige Verwendung der Präposition "in" (die den Dativ erfordert) also eine grammatikalische Form verwendet, die per se keinen Rückschluss auf das grammatikalische Geschlecht des Nomens zulässt. Da das Maskulinum trotz aller postmodernen Schriften noch immer das unmarkierte Genus ist und also zuerst gedacht wird (natürlicher erscheint), greift der geneigte Sprecher zum Maskulinum, wenn er/sie/es in den Nominativ wechselt.

Damit verknüpft dürfte auch ein diskursiver/ kultureller Aspekt sein. Blog - im Gegensatz zu Weblog - trägt einen wesentlich schwächeren Verweis auf das Logbuch in sich. Das Logbuch spielt in unserer Gegenwart auf Grund der geringen gesellschaftlichen Relevanz der Schifffahrt (im Vergleich zu Bahn und Flugzeug) eine ebenso seltene Rolle in unserem Sprachgebrauch. Die Assoziationskette Blog-zu-Logbuch drängt sich nicht gerade von selbst auf. Das einsilbige "Blog" erscheint eher als eigenständiger Neologismus als es beim zweisilbigen "Weblog" der Fall ist, weil hier "-log" als Teilwort mit der Pause zwischen dem "b" und dem "l" gesprochen wird. Der/das Blog verliert mit zunehmender sprachlicher Reduktion seine an der Oberfläche materialisierte Geschichte. Auf der anderen Seite aber ist es ein Spiegel der sich verändernden Verwendungsweisen des Mediums "Blog". Der logbuchartige, chronologische Charakter wird im Verlauf der Gewohnheit immer un-präsenter. Das Hinzufügen diverser Widgets mit weiteren Inhalten neben dem zentralen Bloginhalt (den Posts), Unterseiten, magazin-artige Layouts und Strukturen usw. pluralisiert die Blogs, verändert ihren Charakter. Anders gesagt, die Erscheinungen der Blogs verlieren mehr und mehr ihren logbuchartigen Charakter.

[Nachtrag] Mit bestem Dank an Anatol Stefanowitsch aus den Kommentaren gefischt: Ein weiterer sprachlicher Grund für die Verwendung des männlichen Artikels liegt sicher auch in der lautlichen Nähe des "Blogs" zum "Block", die sich mit der Auslautverhärtung im Deutschen ('g' wird zu 'k') noch verstärkt. "Block" ist maskulin und per Analogieschluss ist der Weg zu "der Blog" nicht mehr weit.

[Nachtrag, die Zweite] Im blog.institut1 wurde das Thema nun auch verhandelt. Die Verbindung vom Holzklotz zum Notizblock lässt sich historisch vermutlich nicht so richtig direkt ableiten. Aber die implizierte These, dass "das Blog" und "der Blog" über diverse Umwege denselben Ursprung haben, gefällt mir.

2008-07-02

Magische Musik.

The Rodeo ist Dorothèe. Eine Frau, eine Gitarre und eine unfassbar kraftvolle Stimme. Hinreißend. In allen Sinnen, die diesem Worte innewohnen.

The Rodeo - I'm rude


Die ersten Klänge werfen mich zurück in die Atmosphäre, die Juno in Film und Soundtrack erschafft. Ihre Musik ist laut eigener Aussage eine "Hommage an die Pioniere des Folk, Blues und der Country Music" der Südstaaten.

Das Casino ist ein Ort, der in seinem Inneren mit weißem Stoff rautenförmig bespannt ist. An den Seiten sind podestartig Sitzplätze in rot überzogen. In der Mitte des Hangars steht eine weiße Raute und lädt zum Platznehmen ein. Gegenüber des Eingangs ist eine kleine Einbuchtung in die Wand aus Stoff eingelassen. Sie bietet Platz für genau eine Person. Es sollte der Ort werden, von dem aus eine kleine Frau uns alle den Atem anhalten ließ.

Magische Orte III.

Freitag. Mir ist wie Sonnabend. Die ersten Stunden haben also gewirkt. Ein Gefühl von hier-genau-richtig-sein.
Zum Mittag ab ins Kino. Moviemento Kurzfilmreihe mit Kinderfilmen. Im wahrsten Sinne des Wortes ganz großes Kino: A Sunny Day von Gil Alkabetz. Es beginnt mit dem Bild einer Hügellandschaft und einem gelben Ball, der sich hebt und senkt. Ein Schnarchen ertönt - die Ball hebt sich. Ein pfeifendes Ausatmen - der Ball senkt sich. Dann klingelt der Wecker und die Sonne erwacht. Mit einem Schrecken steigt sie über den Hügel. Die Sonnenstrahlen sind noch kleine schwarze Striche. Um sich die Zähne zu putzen, malt die Sonne einen Regenbogen an den Himmel, holt die Zahnbürste raus und nimmt die Regenbogenzahnpasta zum Zähneputzen. Ausgespuckt wird ein kleiner Spritzer Regenbogen. Ein paar vorbeifliegende Wolken sind der Rasierschaum. Dann ist es Zeit, sich die Haare zu kämmen. Aus den kleinen, schwarzen Strichen werden strahlendbreite Sonnenstrahlen. Am Ende des Hügels wohnt ein kleines Mädchen. Sie macht sich auf, stellt sich mit ihrem Hund vors Haus und setzt Sonnenbrille und Hut auf. Auch der Hund bekommt einen Hut. Die Sonne schaut ein wenig traurig. Das Mädchen geht zu ihrer Familie, die sich unter einem Baum in den Schatten geflüchtet hat. Die Sonne schaut wieder traurig zu und verändert ihren Stand. Die Familie flüchtet mit dem Schatten auf die andere Seite des Baumes. Das Mädchen steigt in einen Bus ein. Die Sonne freut sich, sie auf ihrem Weg begleiten zu dürfen. Doch das Mädchen ist ärgerlich und lässt die Rollläden am Fenster des Busses herunter. Die Sonne gibt nicht auf. Sie weiß um das Gute, das sie vollbringen kann und möchte es den Menschen zuteil werden lassen. Sie folgt dem Bus und dem Mädchen, kämpft sich einen Berg hinauf und freut sich, als das Mädchen am Strand ankommt. Aaah! Hierher kommen die Menschen, um die Sonne zu genießen. Also stellt sich die Sonne freudig an den Himmel. Die Menschen reagieren unisono mit dem Aufspannen von Schirmen. Die Sonne lässt sich nicht entmutigen. Sie vollführt einen Tanz und sammelt all ihre Pracht. Die Menschen reagieren unisono mit dem Aufstellen von Zelten. Langsam wird die Enttäuschung zu groß. Die Sonne wandert noch ein wenig umher und macht sich dann auf, hinter dem Horizont des Meeres zu verschwinden. Der Tag ist vorbei und es wird Zeit, sich schlafen zu legen. Da blitzt und jubelt es auf einmal. Die Sonne schaut überrascht gen Strand. Dort stehen all die Menschen, die sich gerade noch in ihren Zelten versteckt hatten, halten Kameras in die Höhe und klatschen begeistert. Die Sonne wird verlegen. Läuft rot und lila an vor lauter unerwarteter Freude ob dieser Aufmerksamkeit. Sie strahlt noch ein letztes Mal und versinkt hinter dem Horizont. Bis nur noch ein Schnarchen und ein pfeifendes Ausatmen zu hören ist.

Ein bisschen Chillen im Zelt. Ein bisschen Rumlaufen und dabei froh sein, die Regenjacke mitgenommen zu haben. Unseren Nachkömmling begrüßen. Ans Lagerfeuer setzen und die Hippiegemeinde einwirken lassen. Festivals sind immer eine andere Welt. Abgeschottet von allem. Hier auf der Fusion ist es nochmal anders. Tagsüber, wenn die Beleuchtung fehlt und die Stromversorgung für die Stände und die Musik das einzig Technische sind, treten die selbstgebauten Orte aus Holz und Stoffen in den Vordergrund. Die Menschen sitzen auf Holzstämmen oder unter Planen. Der Anblick eines iPhone und der Anblick eines Aliens in seinem Raumschiff würde hier nicht den kleinsten Unterschied machen. Beides ist seltsam entrückt.

Das Cabaret at the End of the World. Der Abend bringt kurzweilige Stunden voller Artistik, Pomp, extravaganten Moderatorinnen und ihren vier Übersetzern. Staunen und Lachen. Bewundern und ums Verrecken den Mund nicht mehr zu bekommen. Bis die ich-bin-eine-Frau-die-so-tut-als-sei-sie-ein-Mann-der-als-Drag-auftritt mit plumpen Sexanspielungen eine schlechte Playbackshow abliefert. WIr verpassen den Rest des Abends. Aber es ist egal. Denn jetzt kommt The Rodeo. Sie ist die Entdeckung des Wochenendes. Deshalb an anderer Stelle mehr.

Sonnabend. Oh! Schon Sonnabend. Ein Gefühl von "das Ende naht". Jetzt bloß nicht verrückt machen lassen. Gemütlich frühstücken. Ins Casino Hörspiele hören. Klappt nicht. Die Bänke und Böden sind überfüllt mit schlafenden und lauschenden Menschen. Egal. Auf dem Sonnendeck ist es sowieso viel schöner. Zu Hauf fliegen die Schwalben in der Gegend umher. Vor dem Casino haben sich zwei Jungs hingesetzt und spielen mit ihrer Gitarre und einem Saxophon ein kleines Set. Es ist genau das richtige für den Moment. Die Seele baumeln lassen. Dösen. Die Ruhe finden, die sich des Nächtens ob der 24h-Trancemucke nicht so recht einstellen will.
Zurück zum Zelt und mal ein wenig zivilisatorische Gesichtspflege gegönnt.
Bratze in der Tube. Schon während des Wartens fließt der Schweiß in Strömen über die Rücken. Gruppendynamiken sind etwas eigenartiges. Wir stehen erst hinten. Dort drückt und drängelt es. Kellerclubatmosphäre kommt auf. Kurz vor Beginn gehe ich nach vorne. Angenehme Leere, die ich schon von weitem erkenne. Ich drängele mich durch und kann für einen Moment Luft holen. Ich wundere mich, dass nicht mehr Leute auf diese Idee kommen. Der Moment des Luftholens ist vorbei als Bratze starten. Von Sekunde eins an rocken sie das Haus. Die Jungs sind heiß. Die Leute vor der Bühne sind es auch. Ein Schlag in die Magengrube. Ein wildes Durcheinander als gäb´s kein Morgen mehr.

Die Jolly Goods. Ich kannte nur ihre Single Girl Move Away From Here, war gespannt und musste mich der Enttäuschung preisgeben. Nicht, weil sie nicht gut waren, denn das waren sie. Sondern, weil die Single mitnichten das widergibt, was die beiden Mädels live präsentieren. Girl Move Away From Here ist eine gerade noch tanzbare, wütende und wütige Musik. Mehr davon hatte ich erwartet. Alles andere jedoch klingt nach den Töchtern von PJ Harvey, mit jugendlichem Zorn im Bauch und verschiedensten Varianten von Herausschreien auf den Lippen. Mehr noch, es ist ein Ausloten der Grenzen dessen, wozu die Sängerin Tanja Pippi in der Lage an den Rändern der Pfade ausgetretener Songstrukturen.

Danach: Flasche leer. Ich kann nicht mehr. Ich merke, die Erkältung steckt mir immer noch in den Knochen. Ich gehe schlafen und begrüße am frühen Morgen die Heimkömmlinge aus den Nachbarzelten. Die Sonne strahlt. Entspanntes nichts-muss-mehr im Kopf. Die Elektrobeats werden auch langsam aufdringlich. Ebenso das partywütige Volk, das mittlerweile die Wege beherrscht. Es hat sich was verändert zum Wochenende hin. Mehr schicke Club-Menschen. Mehr bummbumm-Techno-Volk aus Autos, deren Kennzeichen durchgehend mit drei Buchstaben beginnen. Die Wirkung von Alkohol, anderen Drogen und durchtanzten Nächten zeigt ihr unschönes Gesicht. Es ist zwar immer noch um Längen entspannter als auf anderen Festivals, aber die Ruhe der ersten Tage ist vorbei.
Das Highlight zum Abschluss: Slacklinen. Auch eine Club Mate findet sich noch an.
Die Zeit, in der die Sonne am Höchsten steht, ist die Zeit, in der wir aufbrechen. Anstehen an der Ausfahrt. In kurzen Metern rollen wir voran. Volkssport Nummer eins: Das Auto schieben. Die Jungs sind offenbar noch nicht ganz ausgelastet... Großartiger Anblick allenthalben. Zwischendrin: Lesen. Auf die Motorhaube setzen. Handstände üben.
Auf dem Heimweg Halt an der ersten Raststätte. Jetzt ein Eis. Begegnungen mit Menschen, die so etwas wie "eine andere Welt ist möglich" schon früh aus ihrem Denken gestrichen haben. Genervtes Gehupe, wenn man als Fußgänger die Dreistigkeit besitzt, die Straße zum Parkplatz zu überqueren. Hektische Eltern, die ihre Kinder wieder ins Auto zurückschleifen. "Aber da ist doch ein Mülleimer." "Nein komm! Das Eis kannst du auch noch im Auto aufmachen." Mit Rasten hat das hier rein gar nichts zu tun.

Und so kehre ich heim. Trage die Erinnerungen in mir. Und schaue mit glänzenden Augen alldiejenigen an, die mich fragen wie´s war.

2008-07-01

Magische Orte II.

fusion_2008_215
Bild von langalex, geschossen auf der Fusion.

Seit ein paar Wochen wackel und schlinger ich über ein ca. 5cm breites Seil, wann immer sich die Gelegenheit ergibt. Slacklinen nennt sich das und bringt so dermaßen viel Freude.

In der Situation da oben habe ich es übrigens trotzdem noch irgendwie gechafft, wieder rechtzeitig auf das Seil zu achten und dann auch drauf zu landen... ;)