Seit einigen Jahren nun betreue ich die Kundenanfragen bei einem Onlineversandhandel. Wie das so ist, wenn man wo mit Menschen arbeitet, kommen einem die seltsamsten Anfragen unter. Eine der großartigsten Emails habe ich ja schonmal kundgetan.
"Hello!
Please tell me something about my order of xx/xx/xx..."
Das war's. Mehr schrieb er nicht. Nachfragen (das wusste ich schon) bringt nichts bei nur rudimentär englischsprechenden und -verstehenden Italienern. Dann wird es Zeit für meine persönliche Übungsstunde: Welches ist die relevanteste Info, die zu einer Bestellung zu finden ist? Welches ist - gemessen am Zeitpunkt der Email und der vermuteten Informationslage beim Kunden - der Wissensstandpunkt des Kunden und worauf wird seine Frage wohl abzielen? Das ist gelebte Semiotik, Kommunikationswissenschaft und Linguistik in Einem.
Nächster Fall und in meiner persönlichen Hitliste der WTF-Anfragen ungeschlagen auf Platz eins:
Email ohne Name, kein Text in der Betreffzeile, keine Name unter dem Text. Keine Bestellnummer angegeben. Und dann wurde die Bestellung unter einer anderen Mailadresse aufgegeben... Natürlich ist es überaus dringend, sofort und am Besten noch gestern zu erfahren, wo die Ware denn bleibt. Das wird durch Satzzeichen nicht unter 10 Ausrufezeichen deutlich gemacht.
Irgendwo zwischen Tischkante und einem Kopfschütteln, das jedem Metaller auf der Bühne zur Ehre gebührt, überlege ich kurz, ob ich solche Mails nicht einfach durch Nicht-Antworten strafe. Klar, geht so natürlich auch nicht. Also wird in süßlicher Höflichkeit darum gebeten, doch bitte die Bestellnummer oder irgendeinen anderen konkreten Hinweis auf die betreffende Bestellung zu geben. Ansonsten sei eine genaue Auskunft gar nicht usw.usf. Ich stelle mir dann immer vor, wie die Menschen vor ihrem Bildschirm hochrot anlaufen, weil sie einsehen, dass die erste Anfrage wohl etwas faktenlos war. Aber vielleicht ist das auch nur eine Wunschvorstellung meinerseits.
Nicht unweit davon entfernt findet sich folgende Art der Anfrage.
"Ein Teil ist vor ein paar Wochen angekommen. Da fehlt aber die Hälfte. Wann kommt die?" Punkt. Ende der Anfrage. An dieser Stelle kommen dann wieder Tischkante und Kopfschütteln zum Einsatz, denn leider ist es dem realen Kundensupport (egal in welchem Unternehmen) derzeit nicht möglich, Zauberstab und magische Glaskugel rauszuholen, um auf den Gabentisch des Empfängers zu schauen, welcher Teil der Bestellung denn nun bereits eingetroffen ist. Da hilft nur Zähne zusammen beißen, den Satz "Haben Sie vielleicht schonmal daran gedacht, dass ihre komplette Bestellung bereits versandt wurde und es hier ein Problem mit der Post o.ä. geben könnte?" runterschlucken und nachfragen, was genau eigentlich noch fehlt.
Sehr schön sind solche Anfragen übrigens auch von Kunden, die regelmäßig alle 2-3 Wochen bestellen. Da stellt sich dann nämlich als allererstes die Frage, von welcher Bestellung hier eigentlich die Rede ist.
Im Laufe der Zeit habe ich nur eine sinnvolle Erklärung dafür gefunden, was in den Köpfen solcher Leute vorgehen könnte. Sie gehen offenbar wirklich davon aus, dass nur ein Teil abgeschickt wurde und irgendwo in den Akten sorgsam verzeichnet ist, was noch fehlt und es nur verschlampt wurde, den 2. Teil auch noch abzuschicken. Dass alles raus ist und es da möglicherweise ein Problem bei der Zustellung gibt, will sich als Option einfach nicht einstellen.
Wenn irgendjemand hier eine philanthropischere Antwort hat, bitte her damit. Ich finde es nämlich fürchterlich, so dermaßen negativ über einen Teil der versammelten Kundschaft denken zu müssen. Denn bei allem Wohlwollen und Verständnis und bla und keks, kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, einige denken, sie wären die Einzigsten, die bei uns bestellen.
Dieser Gedanke kommt mir auch regelmäßig, wenn jemand nur und ausschließlich seinen Nachnamen angibt. Man muss nicht MüllerMeier-Schulze heißen, um zu ahnen, dass es vielleicht noch andere Menschen mit dem gleichen Nachnamen geben könnte, die nicht zur Familie gehören. Ich meine, jeder von uns guckt doch irgendwann mal nach, wie oft und wo es den eigenen Familiennamen gibt. Ist es da zuviel verlangt, für Nachfragen bei einem weltweit operierenden Versandhandel mal auf die Idee zu kommen, dass es noch andere Kunden mit dem gleichen Nachnamen gibt? Und nein, über die Emailadresse lässt sich so etwas leider nicht immer auflösen. Nämlich dann nicht, wenn die Leute von einer andere Mailadresse aus schreiben.
Tischkante. Kopfschütteln. Weitermachen. Denn zum Glück sind das im Großen und Ganzen doch die Ausnahmen.